Wie man ein Sachbuch sinnvoll liest

Lesen ist eine Grundkompetenz, die spätestens nach der Volksschule beherrscht werden sollte. Aber wer bringt einem bei, wie man ein Buch liest? In diesem Beitrag geht es nicht um Bücher, die wir zum Vergnügen lesen (beispielsweise Romane), sondern um jene, die einem im Leben weiterbringen sollten: Sachbücher.

Und so liest man ein Sachbuch:

  1. Wähle weise
    Verspricht der Titel, dich im Job, in der Beziehung, im Alltag, beim Zeitmanagement etc. weiterzubringen? Wenn nicht, dann liest du es zur Unterhaltung. Lies diesen Blog-Beitrag nicht weiter. Lies jetzt dein Buch und unterhalte dich gut!IMG_20180224_191826.jpg
  2. Gib dem Buch 10 Minuten
    Lies den Klappentext und das Inhaltsverzeichnis. Schau dir einzelne Kapitel an, ob sie lesenswert sind. Es gibt nicht viele Bücher, die du von der ersten bis zur letzten Seite lesen musst. Vermutlich betreffen einige Kapitel deine derzeitige Lebenssituation nicht und fressen nur Zeit. Kannst Du das, was du liest, in den nächsten Tagen praktisch umsetzen oder ausprobieren? Dann hast du das richtige Buch gewählt, ansonsten siehe Punkt 1, letzter Satz.
  3. Kauf es
    Leihe dir das Buch nicht, kaufe es. Wer sagt dir, dass das Kapitel, dass du soeben für unwichtig gehalten hast, nicht morgen dein Problem löst? Zweitens: Einzelne Kapitel am ebook-Reader durchzusehen ist mühsam, dazu reagieren die Geräte zu träge. Grundregel: Romane am ebook-Reader lesen, Sachbücher in Papierform.
  4. Lies das, was du brauchst
    Faustregel: Nimm 20 % der Zeit, die du für das ganze Buch brauchen würdest und hole dir 80 % der Kernideen heraus. Du kannst dir nicht alles merken, also brauchst du nicht alles lesen. Scanne interessant erscheinende Kapitel, indem du die ersten Sätze der Absätze liest. Überspringe:

    • Dinge, die du schon weißt,
    • Sachverhalte, die du bereits verstanden hast und dazu
    • Beispiele und Geschichten (besonders in amerikanischen Sachbüchern),
    • Listen und
    • Themen, die dich nicht interessieren oder die du nicht konkret anwenden kannst.
  5. Bücher sind WerkzeugeIMG_20180224_192002.jpg
    Scheue dich nicht …

    • wichtige Sätze mit Bleistift oder Leuchtstift zu markieren,
    • wichtige Passagen mit Klammern zu kennzeichnen,
    • gute, bessere und beste Gedanken mit Sternen (*, **, ***) zu kennzeichnen,
    • Gedanken oder Querverweise an den Rand zu schreiben und
    • Eselsohren bei wichtigen Seiten zu machen oder Post-It Index Klebezettel zu verwenden.
  6.  Fasse zusammenBuch mit Notizen Fasse eine bis 10 Kernbotschaften auf der leeren Titel-Innenseite des Buches zusammen. Wenn du es später aus dem Regal holst, dann hast du das Wissen griffbereit. Benutze kein Notizbuch dafür, das nachher irgendwo liegt oder beim nächsten Umzug verschwindet. Tu das, damit du das Buch im nächsten Jahr nicht nochmal lesen musst, sondern das Wichtigste auf einen Blick parat hast.
  7. Wiederhole
    Führe eine Liste der gelesenen Bücher und nimm die für dich interessantesten alle paar Wochen in die Hand. Lies die Kernbotschaften der ersten Seite, damit du sie dir wieder in Erinnerung rufst und im Alltag anwenden kannst. Vielleicht helfen dir heute andere Kapitel, die du gestern ausgelassen hast. Das Buch ist ein Experte, den du jederzeit fragen kannst.

Mit dieser Methode liest du mehr Sachbücher als bisher und setzt sie auch im Alltag um. Mache eine Routine daraus: Reserviere dir täglich zur einer fixen Uhrzeit eine Stunde, vielleicht auch nur eine halbe Stunde dafür. Vielleicht setzt du dir ein Ziel? Ein Buch pro Woche ist mit dieser Methode durchaus möglich. Das macht, plus/minus, 50 Bücher pro Jahr geballtes Wissen, das du abrufbereit hast.

Quelle: Die meisten Tipps habe ich aus „Become a Learning Machine 2.0: Read 300 Books This Year“ von Brandon Hakim bei Udemy entnommen. Brandon zeigt hier, wie du mit dieser Methode täglich ein Buch lesen kannst. Wer also in einem Jahr das lesen möchte, was einige ihr ganzes Leben nicht lesen, der ist bei Brandon richtig.

 

 

Create your UNIverse – Weil DU die Zukunft mitgestalten kannst!

Magdalena Theurl von OIS – Open Innovation in Science (Ludwig Boltzmann Gesellschaft) hat mich gebeten, Infos zu einer Studie zu verbreiten. Mache ich normalerweise nicht, aber in diesem Fall ausnahmsweise gerne, weil ich das Thema interessant finde. Hier also ihr Gastbeitrag:

createyouruniverseManon hat ihren Masterabschluss in Management auf der WU Wien gemacht: „Bildung geht uns alle etwas an, deshalb mache ich bei create your UNIverse mit! Ich wünsche mir, dass die Unis & FHs in Österreich in Zukunft mehr auf die tatsächlichen Bedürfnisse von uns Studierenden eingehen.“
Auch Du möchtest die Zukunft der Hochschulen aktiv mitgestalten? Jetzt ist DEINE Meinung gefragt!

Durch den Wertewandel, Druck in der Berufswelt und die Digitalisierung steigen die Anforderungen der Studierenden an die Hochschulbildung. Deshalb startet der Rat für Forschung und Technologieentwicklung in Zusammenarbeit mit der Ludwig Boltzmann Gesellschaft die österreichweite Studie create your UNIverse bei der die Meinung aller Studierenden zum Thema „Hochschule der Zukunft“ gefragt ist.

Ab dem 21. November werden 4 Wochen lang insgesamt 4 Fragestellungen auf der Facebook-Seite veröffentlicht. Bis jetzt wurden bereits 2 Fragen online gestellt! Dort kannst Du mit anderen Studierenden diskutieren und Deine Ideen und Wünsche teilen. Alle Beiträge werden analysiert und zusammengefasst. Die Ergebnisse samt konkreter Empfehlungen werden Anfang 2017 allen österreichischen Unis und FHs überreicht.

Wir finden diese einmalige Chance, an der Zukunft der Hochschulbildung mitzuwirken, wichtig und unterstützen create your UNIverse. Sei Teil der Veränderung und mach mit – denn je mehr mitmachen, desto mehr Impact hat die Studie!

Hier geht es zur Studie: https://www.facebook.com/createyourUNI/

 

Buchrezension: Arne Ulbricht: Nicht von dieser Welt

arne-ulbricht_nicht_von_dieser_welt_umschlag_druckAls vor einigen Jahren Bloggen noch in Mode war, habe ich irgendwo einen Beitrag gelesen, der Lehrer in zwei Kategorien einteilt: In kalifornische und in koreanische Lehrer. Die kalifornischen Lehrer stelle man sich als braungebrannte Surfer-Typen in Shorts vor, die in lockerer und freundschaftlicher Atmosphäre in angenehmer Umgebung Jugendlichen den Lernstoff vermitteln. Der Typus „koreanischer Lehrer“ wurde als Krawattenträger beschrieben, in dessen Unterricht vor allem Disziplin, Drill und Kälte vorherrscht. Leider finde ich diesen Beitrag nicht mehr. Er war wohl auch nicht ganz politisch korrekt.

Im ersten Roman von Arne Ulbricht „Nicht von dieser Welt“ wird der 36jährige Deutsch- bzw. Englisch Lehrer Heinz erstmalig nach dem Referendariat angestellt. Seine eher „kalifornischen“ Ideale treffen bereits am ersten Tag auf eine „koreanische“ Kollegin.

Diese Kollegin ist resolut, laut, gut vernetzt, weiß das Meiste, verbreitet alles und tuschelt häufig und gerne. Wir kennen, glaube ich, diese Menschen, die immer sofort hysterisch nach ernsten Konsequenzen und strikten Verboten brüllen. Die gibt es bei politischen Parteien und die gibt es natürlich auch in Konferenzzimmern. Im Buch ist es die Frau Huber, die sich die Junglehrerin Petra nach „koreanischen“ Werten erzogen hat und diese Linie nun auch von Heinz erwartet.

Ihr Ratschlag an seinem ersten Tag: „Sie müssen die Schüler dringend aufstehen lassen und jede Unachtsamkeit sofort ahnden! Schüler mögen nur die Lehrer, die hart und gerecht sind, vor den lieben Lehrern, die nichts verlangen, haben sie keinen Respekt!“

Im ersten Teil des Buches findet sich jede Schule garantiert wieder. Wer nicht Lehrer ist, der erlebt hier typisches (fast klischeehaftes) Lehrer-, Schüler- und Elternverhalten. Der zweite Teil gleitet langsam in eine mögliche, aber realistische Fiktion und der dritte hebt dann endgültig ab. Genauso beim Lesen: Den ersten Teil habe ich eher amüsiert gelesen, der zweite Teil fesselte mich und für Teil 3 wurde dann spätnachts doch noch Kaffee gebraut, weil Schlaf keine Option gewesen wäre. Ich frage mich, ob der Autor Teil 1 stückchenweise während der Schulzeit geschrieben hat und dann in der Ferienzeit den Rest im Flow geschrieben hat.

Achtung Spoiler:

Heinz scheitert an seinen Schülern. Frau Huber und ihre Fans helfen tatkräftig mit. Ist das Buch nun ein Plädoyer für Strenge und Disziplin im Klassenzimmer? Hat Frau Huber eigentlich Recht? Ist es ein Ratgeber für die Schulbehörden, doch gefälligst Lehrer koreanischen Typs anzustellen, weil die kalifornischen mit den heutigen Schülern heillos überfordert sind? Oder meint Ulbricht, dass Lehrer sich im Klassenzimmer authentisch bleiben sollten? Oder geht es um die unheilvolle Kombination von Schulsystem, verhaltensoriginellen Lehrer- Eltern- und Schülertypen, Drogen- und Alkoholmissbrauch? Ist es eine Warnung an renitente Schülerinnen? Oder ist es einfach nur ein spannender Thriller? Hinweise finden sich in Ulbrichts Sachbüchern „Lehrer: Traumberuf oder Horrorjob“, „Schule ohne Lehrer“ und „Lehrer, ein unverschämt attraktiver Beruf“.

In zwei Wochen ist wieder Schule. Ich brauche jetzt irgendeine motivierende Bücherkombination für den Start. Sowas wie „Positive Pädagogik“, „Gewalfreie Kommunikation“ und „Im Alltag Ruhe finden“ . Bogenschießen wollte ich auch noch. Aber das lasse ich jetzt doch lieber bleiben.

Hinweis: Das Buch wurde vom Klak Verlag via Literaturtest als Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt.

Künftig ohne Anstrengung und Mühe lernen

Mit Hilfe von Technik versuchen Bildungseinrichtungen und auch die Bildungsindustrie, den Aufwand und die Anstrengung für das Lernen zu reduzieren. Die stolze Verkündung eines Herstellers „Bei uns gibt es keine Skripten mehr, Sie können nun alles mit Hilfe des Bildschirms lernen“ bei einer Präsentation eines WBT zur wirtschaftlichen Allgemeinbildung deutet an, wohin zumindest die Softwareindustrie gehen möchte. Etliche Pädagogen versuchen auf andere Weise, Technik und Lernen zu verknüpfen: Sei es mit simplen LernTECHNIKen im Unterricht, Blended Learning, Mobile-Learning Sequenzen oder einfach nur, indem sie verstärkt Frontalunterricht mit Hilfe des Whiteboards machen. Schüler und Studenten dopen sich mit Energy-Drinks, Kaffee oder konsumieren Neuro-Enhancer.

Welchen Anteil an müheloseren (?) Lernen einfach nur die erhöhte Motivation („Mal was Anderes, damit geht es leichter, das hilft mir“) bei Anwendung dieser Techniken und Technologien hat, kann vermutlich nie zweifelsfrei beurteilt werden. Ansonsten wäre das Märchen von der Relevanz der verschiedenen Lerntypen schon längst von der Bildfläche verschwunden.

Wie es mit Lerntechnologien und Lerntechniken demnächst weitergehen könnte, beschreiben zwei Autoren in ihren Science-Fiction Thrillern:

Der Wiener Marc Elsberg (Facebook, Amazon) beschreibt im Roman „Zero – Sie wissen was du tust“, wie mit Hilfe von sozialen Netzwerken Lernen erleichtert werden kann. Andreas Eschbach (FacebookAmazon) überspringt in seinem Fortsetzungsroman „Black*out“, „Time*Out“ und „Hide*Out“ das mühsame Lernen und füllt Wissen direkt in die Köpfe der Nutzer ein.

Beide Autoren vermitteln glaubwürdig, dass sie Ahnung von dem haben, was sie hinsichtlich IT von sich geben: Elsberg wurde ja schon bei „Black Out – Morgen ist es zu spät“, wo es um den Zusammenbruch der Stromversorgung geht, für seine profunde Recherche von der Presse gelobt, Eschbach war Software-Entwickler.

Elsberg geht in „Zero – Sie wissen, was du tust“ von der Quantified-Self-Bewegung aus, wo Nutzer (freiwillig) zum eigenen Vorteil und auch zum Vorteil von beteiligten Unternehmen persönliche Daten preisgeben: Das beginnt bei Bankomat- und Kreditkartenzahlungen, GPS-Positionen ihres Smartphones, Status-Updates in sozialen Netzwerken und hört bei der persönlichen Smartwatch auf, die Ernährungsverhalten und Körperfunktionen wie den Puls an das soziale Netzwerk „Freemee“ übermittelt. Der Nutzer kann freischalten, was übermittelt wird und er erhält dafür monatlich einen Geldbetrag überwiesen. Je mehr er freischaltet, desto mehr Geld wird überwiesen.

Im Roman analyisert das soziale Netzwerk „FreeMee“ diese Daten und berechnet mit Hilfe Tausender anderer vergleichbarer Nutzer Chancen und Risiken des eigenen Lebenswandels. Nutzer haben am Smartphone die „ActApps“ installiert, die laufend Tipps geben, das Leben hinsichtlich Karriere, Mode, Liebe und eben auch Lernen zu verbessern. Hält sich der Nutzer an die Tipps der ActApps, dann steigt er in Ranglisten auf, die öffentlich im Netz einsehbar sind. Diese Rangliste steigert die Motivation, die Tipps zu befolgen.

Zitat aus „Zero“:

„Ein Beispiel: Man kann den Leuten hundertmal sagen, sie sollen ihre Zähne besser putzen. Wirksamer wird es, wenn wir ihnen eine Belohnung dafür geben. Bei Freemee steigen deine Werte – du musst nur eine elektrische Zahnbürste haben, die an dein Konto senden kann, oder einen Sensor an deiner Bürste anbringen, der das übernimmt. Noch weiter angespornt werden die Leute durch den Wettbewerb. Zahnputzwettbewerb.« Er verdreht die Augen. »Innerhalb der Familie. Zwischen Freunden. Und natürlich der Blick in die Zukunft: ein lückenhaftes, faules Gebiss? Und so weiter. Gamification, der Einbau spielerischer Elemente. Und natürlich Priming, Framing, Mere exposure, Heuristiken nutzen oder falsche und ungeeigente korrigieren, kognitive Verzerrungen und Basisratenfehler ausmerzen, Anker-Effekte und so weiter, der ganze psychologische Werkzeugkasten – es ist das Kombinieren von Psychologie, Soziologie und IT, um letztlich Denken und Entscheiden zu automatisieren.«“

Science Fiction ist das nicht: Meine alte Zahnbürste vergibt bereits Sternchen für die Putzzeit, hier ist eine neue im Video.Zahnbuerste

WLAN-Körperwaagen gibt’s auch schon länger, nur ist die Vernetzung des „Internet der Dinge“ noch nicht einmal am Anfang angelangt. Es wird heute noch kein Zahnputz-Zeit Family-, Gemeinde-, Bezirksranking ins Internet gestellt, noch kein Gewichts-Contest Ranking durchgeführt. Oder doch?

Auch IT-averse Schichten wie (sehr viele) Politiker kennen Ranglisten und werden heute nach Anzahl ihrer Twitter-Follower bewertet, obwohl die meisten mit Twitter überhaupt nichts am Hut haben. Science Fiction ist das nicht, wir haben es nur noch nicht ausgebaut und für das Lernen in der Schule angewandt.

Was können wir heute realisieren? Elsbergs ActApp analysiert das Verhalten des Lernenden. Wie ernährt er sich? Wann und wie viel Sport betreibt er? Ist er ein Morgen- oder Abendmensch? Wie lange sitzt er, sieht er fern, spielt, fährt im Bus oder Zug? Intelligent programmiert könnte sie durchaus schon heute Tipps geben, um die Rahmenbedingungen für das Lernen (Schlaf, Bewegung, Ernährung) zu optimieren. Samsung, Garmin und Jawbone experimentieren damit und mit uns schon herum.

Zudem gibt es einheitliche Bildungsstandards. Die ActApp könnte also auch schon heute wissen, welches Lernthema in welcher Zeit in welchem Umfang zu bewältigen ist. Was noch nicht realisiert ist, ist die Vernetzung all dieser Dinge, um Lernen zu fördern.

Andreas Eschbach geht einen Schritt weiter und vereinfacht Lernen in zwei Etappen.

In Stufe 1 wird Nutzern ein „Lifehook“, das ist ein kleiner Chip, in die Nase gepflanzt. (Heutige Ansätze bei den Science-Blogs.) Dieser Lifehook wandelt Gehirnströme in Bits um und sendet diese via Mobilfunk an einen Internet-Browser oder an bis zu 20 andere Lifehook-Nutzer. So können via Gedanken Mails geschrieben, in Wikipedia nachgesehen und Gedanken und Gefühle von Freunden erlebt werden. Einem guten Ergebnis bei Klassenarbeiten und Tests steht also nichts mehr im Wege, wenn man die richtigen Freunde hat.

In einer zweiten Stufe wird die Begrenzung auf 20 Freunde abgeschaltet und der Nutzer wird Teil des gesamten Gedanken-Kollektivs aller Lifehook-Nutzer, Kohärenz genannt. Die eigene Persönlichkeit verblasst (ein wenig), dafür hat man Zugriff auf das Wissen, die Erfahrungen und Gefühle des gesamten Kollektivs. (Die BORG in Star Trek können das auch.)

Das hat natürlich auf manche Fernsehformate (wie die Millionenshow) und auf die Schule gravierende Auswirkungen. Eschbach schreibt:

„Schule war unnötig, wenn man der Kohärenz angehörte. Man musste nichts lernen, man wusste schon alles, was die Kohärenz wusste.“

Somit wären wir am Ziel. Wer, außer der Bildungsindustrie, weil die damit Geld verdient und Jobs schafft, hat echtes Interesse am Lernen? Nur sehr wenige lernen, weil lernen geil ist. Lernen ist heute ein Mittel zum Zweck: Um eine Note, ein Zeugnis, einen Abschluss zu haben, um den Job zu erhalten, um Geld verdienen zu können, um Karriere zu machen und wenn das nicht geht, zumindest ein vernünftiges Leben führen zu können. Das Ziel ist meistens ein Stück Papier, manchmal Wissen, selten die Tätigkeit des Lernens an sich.

Den Stein der Weisen für das Lernen, den hat Eschbach auch nicht gefunden. Kreativität und die Liebe zu künstlerischen Tätigkeiten geht in der Kohärenz verloren. Und damit würden wir wieder dort landen, was Schule mangels zeitgemäßer Reformen ohnehin heute ist: „eine Unterrichtsvollzugsanstalt, in der wir von klein auf dressiert werden, uns zu unterwerfen, uns einzufügen und willig mitzumachen.“ (Zitat Franz Josef Neffe im Kommentar zu „Denke Wild„)

Eine Anmerkungen noch zu den Romanen: Natürlich geht es in keinem der beiden Romane um Lernen, sondern um Missbrauch von Technik zur Überwachung und Manipulation von Gesellschaften. Vielleicht sind sie auch hilfreich, genervte Eltern im Umgang mit ihren Smartphone-Zombies der Generation Smartphone zu unterstützen. Beide Romane sind fundiert recherchiert, spannend, wahre Pageturner und für Jugendliche geeignet. Elsberg hat mich als „Technikbegeisterten“ auf den Boden zurückgeholt. Fazit: Lesenswertes von den zwei kleinen Brüdern des großen Bruders (Orwell’s 1984).

Marc Elsberg: „Zero – Sie wissen, was du tust„, Blanvalet, 2014
Andreas Eschbach, „Black*Out„, Arena, 2010
Andreas Eschbach, „Hide*Out„, Arena 2011
Andreas Eschbach, „Time*Out„, Arena 2012

Remo Largo und die gelungene Schulzeit

Eine sehr schöne Beschreibung darüber, was eine gelungene Schulzeit ausmacht, findet sich im Buch „Jugendjahre“ von Remo Largo und Monika Czernin (S. 284):

„Unabhängig davon ob der junge Erwachsene das Gymnasium, die Realschule oder die Hauptschule besucht hat, konnte er in der Schule alle wesentlichen Fähigkeiten entwickeln, insbesondere seine Stärken, also diejenigen Fähigkeiten, auf die er seine zukünftige Existenz aufbauen wird. Er hat gelernt mit seinen Schwächen umzugehen und diese als ein Teil seines Wesens zu akzeptieren. Er weiß, dass die Schwächen ihn wohl einschränken, er aber sauf seine Stärken vertrauen kann. Er hat sich Fertigkeiten, Wissen und Lernstrategien angeeignet, die zukunftsgerichtet sind. Er verfügt über ausreichend entwickelte soziale Kompetenzen sowie eine Sinn für die Gemeinschaft und ihre ethischen Werte. Schließlich hat er ein gutes Selbstwertgefühl erwerben können. Denn er war sozial von Lehrern und Mitschülern immer akzeptiert, die schulischen Anforderungen waren für ihn meist zu bewältigen sie waren überwiegend mit Erfolg verbunden. Mit einem guten Selbstwertgefühl kann seine Zukunft mit der Überzeugung in Angriff nehmen: Ich werde mich in dieser Gesellschaft behaupten.“

Prozentuell würde ich schätzen, dass ein Hauptteil des Unterrichts an der Berufsschule sich mit „Wissen“ beschäftigt, dazu ein wenig die „Fertigkeiten“ geübt werden und alles andere ein wenig nebenher und nebenbei läuft. Und wir wissen alle, was es heißt, wenn wir so „nebenbei“ eine Aufgabe erledigen sollen, oder?

Largo beschreibt die Schule an sich ist eine Vermittlerin zwischen den Generationen (S. 283). Wissen, Fertigkeiten und Bildungsinhalte, die eine ältere Generation geschaffen und bewahrt  hat, soll an die nächste Generation weitergegeben werden. Demzufolge ist die Schule eine durch und durch konservative Einrichtung, die hauptsächlich auf Vergangenes fokussiert.

Seit fast 20 Jahren ändert sich unsere Gesellschaft durch die Informationstechnologie rasant. Es ist an der Zeit, den Inhalt der Lehrpläne und die Struktur der Schulen in Frage zu stellen. Bildungspolitiker können sicherlich schlüssig beweisen, dass sie durchaus „den Fortschritt“ in den Lehrplänen verankert haben und jede Menge Geld für „fortschrittlichen Unterricht“ ausgeben. Gleichzeitig möchte man aber nicht auf Althergebrachtes verzichten und so haben wir den Effekt, dass die Lehrpläne immer voller und die Freizeit der Jugendlichen immer weniger wird. Wo früher drei Fragen über ein Thema mündlich geprüft wurden, ist heute die x-te Präsentation, am besten mit Prezi, weil Powerpoint nicht genug ist, zu halten. Abzuliefern ist zusätzlich ein pippifeines Tipp-Top-Handout, das ausschließlich Creative-Commons-Bilder verwendet und zwingend einen QR-Code für den Link zu slideshare enthalten muss. Alles termingerecht auf der Lernplattform hochzuladen, versteht sich.

Gleichzeitig tönt es aus den Konferenzzimmern: „Die Schularbeit, die ich vor 15 Jahren gegeben habe, die könnte ich ja heute überhaupt nicht mehr geben. Alle würden sie durchfallen…“. Als ob die Jugendlichen jedes Jahr ein wenig dümmer weniger leistungsfähig werden würden. „Nein“, tönt es, „nicht alle. Die sind heute viel unkonzentrierter und haben so viel anderes im Kopf: Handy, Facebook, SMS, Computerspiele usw.“ Dabei übersehen wir Alten, dass wir es sind, die jedes Jahr ein bisschen mehr in die Köpfe reinpressen wollen.

Largo meint, die Schule hat auch ein biologisches Problem: Jugendlichen sind ihre Kompetenzen in der Pubertät egal: Das Zusammensein und das gemeinsame Erleben ist wichtiger als die eigenen Begabungen. Selbstverwirklichung hat in diesen Jahren keine Priorität. Viele Aktivitäten werden nur aus sozialem Engagement heraus unternommen, um Anerkennung zu ernten und sozialen Status zu erlangen. Leidenschaft und innerer Antrieb sind keine Gründe mehr für Leistung.

Im Kapitel „Gesellschaft“ (S. 342) meint Largo:

„Wir dürfen uns auch nicht von der Illusion verführen lassen, wir würden es mit irgendwelchen Lernprogrammen schaffen, dass es keine schwächer begabten Kinder und Erwachsene mehr geben wird. Wir sollten vielmehr die Vielfalt an Begabungen möglichst optimal nutzen. Für die Schule heißt das, die Talente der Kinder in der ganzen Breite zu fördern, und für die Gesellschaft bedeutet es, jedem Menschen mit entsprechenden Rahmenbedingungen zu einem existentiellen Auskommen und sozialer Integration zu verhelfen.“

Früher hat es Jugendliche gegeben, die ihre Schulpflicht in der 3. Hauptschule erfüllt haben und Hilfsarbeiter wurden. Oder denen später „der Knopf aufgegangen ist“ und die Versäumtes nachgeholt haben. Jetzt gibt es eine Ausbildungsgarantie. Für uns Lehrer heißt das: Ausbildungspflicht. Das heißt, dass die Zusammensetzung von leistungsfähigen bzw. weniger leistungsfähigen Jugendlichen im Klassenzimmer noch mehr als bisher auseinanderdriftet. Der Satz von Wolf Müller-Limmroth (Weltwoche 1988) über die Aufgabe des Lehrers war damals schon treffend und trifft’s heute noch mehr:

„Die Aufgabe des Lehrers ähnelt daher der eines Menschen, der eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nordsüdlicher Richtung zu führen habe, und zwar so, dass alle bei bester Laune bleiben und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.“

Es liegt an uns Lehrern, den Irrsinn mit den überladenen Lehrplänen zu stoppen und jedes Jahr ein wenig mehr in die Hirne reinstopfen zu wollen, die allein aus biologischen Gründen (Pubertät, Veranlagung) nicht wollen (oder können). Nur weil wir selbst so manche Sachen in unserer Schulzeit erlernt (gepaukt und wieder vergessen) haben, so müssen wir das unserer Jugend nicht auch antun. Aber seien wir ehrlich: Es ist leichter und pfleglicher für den Job, aus schön aufbereiteten Lehrbüchern lehrplangemäß zu unterrichten, als den Mut zu haben, sich auf Neues einzulassen. Doch was spricht dagegen? Die Karriere kann’s wohl nicht sein? Direktor will selten noch wer werden und eine Karriereleiter, die wir uns verbauen könnten, gibt’s für uns Lehrer ja sowieso nicht. Was hindert uns daran, den Jugendlichen „Wissen, Fertigkeiten und Lernstrategien“ zu vermitteln, Schülerinnen und Schülern soziale Kompetenzen und ethische Werte zu vermitteln und dafür auf Unsinnigkeiten im Lehrplan zu verzichten?

Jugendjahre„Jugendjahre“ von Remo Largo und Monika Czernin ist empfehlenswert für Eltern und Lehrerinnen, die mit Jugendliche im Alter von 9 – 20 klar kommen möchten. Nach der Lektüre wird der Alltag etwas problemloser. Versprochen!!

Obige Zitate sind aus dem kurzen Kapitel Schule entnommen. Auf den anderen 300 Seiten geht es um die Entwicklung von Jugendlichen  in Bezug auf Körper, Sexual- und Sozialverhalten, Sprache, Denken, Motorik, Schlaf, Clique, Selbstverwirklichung, Gefahren und um ihr Umfeld punkto Eltern und Gesellschaft.

Remo H. Largo, Monika Czernin: Jugendjahre. Kinder durch die Pubertät begleiten. Piper Verlag, München und Zürich, 2013.

Masterarbeit: Kooperative Unterrichtsvorbereitung mit Social-Media-Elementen für den Präsenzunterricht in der Berufsschule

Nach über 450 Arbeitsstunden an der Master-Arbeit, einer unbedingt notwendigen Pause von einigen Monaten und dem Einlangen des offiziellen Abschlusszeugnisses vorige Woche wird es nun Zeit für die nächsten Schritte im Projekt.

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Erster Schritt: Die Arbeit unter einer creative-commons-Lizenz online stellen. Also, hier bitte: Download Master-Arbeit.

Worum geht’s? (Abstract)

Diese Arbeit befasst sich mit den Rahmenbedingungen für Lehrkräftekooperation beim Austausch von Unterrichtsvorbereitungen über Internet. Basierend auf einer Analyse von Kooperation in Gruppen und den Funktionalitäten von Social-Media wird ein Modell für Social Software zum Austausch von Unterrichtsvorbereitungen aus bildungswissenschaftlicher Sicht skizziert. Anhand von Ergebnissen einer Online-Umfrage unter Lehrkräften von Berufsschulen werden die derzeitigen Gegebenheiten bei der Erstellung und dem Austausch von Unterrichtsvorbereitungen und die Nutzung von Social-Media analysiert. 

anders gesagt:

Hier geht’s um ein „Facebook für Unterrichtsvorbereitungen“.

Etwas konkreter und praxisnäher ist die Idee in den Beiträgen „Masterarbeit zur Unterrichtsvorbereitung: Prolog“ und „Unterrichtsvorbereitung mit STEER: Der Alltag“ beschrieben.

Die Arbeit habe ich als Basis für ein Software-Konzept zur Erstellung eines sozialen Netzwerks im Internet verstanden. Die Erstellung dieses Konzepts wäre Schritt 2. Mittlerweile ist es über 10 Jahre her, seit ich mich hauptberuflich mit Datenbank-Modellierung und Software-Konzepten beschäftigt habe, da beginnt es langsam wieder unter den Fingern zu kribbeln.

Zuvor sollte aber noch geklärt werden, ob das Konzept auf Papier auch irgendwie, irgendwo und irgendwann umgesetzt werden kann. Für die Programmierung, den Schritt 3, bieten sich aus heutiger Sicht drei Optionen an:

  1. Umsetzung durch Service-Einrichtungen, die sich als Dienstleister für Schulen verstehen (z. B. Education Group in Oberösterreich, Bildungsserver etc.) oder
  2. Zusammenarbeit von Gleichgesinnten (z. B. in einer Open-Source Variante) oder
  3. Gründung eines Start-Up

Ziel ist, dass bei der Nutzung der Plattform durch Lehrkräfte für diese keine Kosten entstehen. Im Gegenzug dazu wird das in der Plattform verwaltete Material allen anderen Lehrkräften kostenlos zur Verfügung gestellt.

Derzeit existiert ein rudimentärer Prototyp des Vorhabens, der im Rahmen eines Matura-Projektes mit Yii-PHP-Framework und My-SQL realisiert wurde. Aber es gibt jede Menge offener Punkte, was Konzeption, Technik, Sicherheit und Recht betrifft. Eines gibt’s aber nicht: Ein „Geht nicht“.

Also, liebe Leserin, lieber Leser: Interesse? Tipps?