„Nirgendwo scheint die Lehrerarbeit wirklich gesund zu sein“

387148_illness.jpgsagte (der nunmehr pensionierte) Professor Uwe Schaarschmidt, der über 20000 Pädagogen zu ihrem Job in der „Potsdamer Lehrerstudie“ befragt hat. Sein interessanter Artikel „Beneidenswerte Halbtagsjobber?„, sein Interview „Die Ausgebrannten“ in der „Zeit“ und seine Bücher (zB „Gerüstet für den Schulalltag„) könnten für so manche Lehrer ein Wegweiser zu einem besseren Leben sein.

Er teilt Lehrer in 4 Grundtypen ein, die zeitlebens „erstaunlich stabil“ bleiben. Ideal wäre es, ein „G-Typ“ (G wie „gesund“) zu sein. Dieser Lehrer ist engagiert, jedoch nicht zu engagiert, ist ehrgeizig, die Arbeit ist ihm wichtig, er resigniert aber selten und kann sich distanzieren, strotzt vor innerer Ruhe und Ausgeglichenheit und ist … einfach zufrieden.

Der „S-Typ“ (S wie „schonen“) schöpft seine Kraft von außerhalb des Lehrberufes und dort investiert er sie auch. Trotzdem (oder gerade deswegen) ist er ganz zufrieden. Von schulischen Problemen distanziert er sich am besten von allen, er hat wenig beruflichen Ehrgeiz und verausgabt sich sicher nicht. Der S-Typ wird gemacht: Durch mangelnde Karrieremöglichkeiten und/oder schlechte Arbeitsbedingungen. Schonung steht auch für Schutz.

Bleiben noch die zwei Risikotypen „A“ und „B“, der laut seiner Studie in allen Schultypen mehr als die Hälfte aller Lehrer angehören. Kaum wer entwickelt sich von einem Risikotyp zu einem „G“ oder „S“ Typ, das Gegenteil ist meistens der Fall.

Der „A“-Typ rackert sich ab: Er zeigt überhöhtes Engagement, kann kaum Abstand von Problemen im Beruf nehmen, entspannt nicht, findet seine innere Ruhe nur schwer und ist somit wenig zufrieden. Eine Gefahr für ihn ist die „Gratifikationskrise“ – großer Arbeitseinsatz ist verbunden mit ausbleibendem Erleben von Anerkennung. Die Infarktgefahr bei ihm ist durchaus gegeben.

Der „B“-Typ hat viel gemeinsam mit dem Muster S. Jedoch kann er sich nicht distanzieren, sondern resigniert, ist wenig motiviert und versucht, mit der ihm verbliebenen Kraft „irgendwie“ über die Runden zu kommen. Der Burn-Out naht.

Die befragten Lehrer geben an, dass sie destruktives Verhalten von schwierigen Schülern verbunden mit großen Klassen und hoher Stundenanzahl als die Top3 der Belastungsfaktoren empfinden. Dabei wiegt eine schwierige Klasse, verbunden mit hoher Stundenanzahl viel schwerer als dieselbe Klasse bei insgesamt weniger Stunden.

Schaarschmidt empfiehlt, die Rahmenbedingungen für den Lehrerjob zu ändern:

  1. Entlastung der Lehrer von nicht bewältigbaren erzieherischen Aufgaben, sie dürfen mit diesen Problemen nicht allein gelassen werden. Helfen könnten: Politik, Eltern, Lehrerschaft, Sozialarbeiter, Psychologen, …
  2. Voraussetzungen schaffen, damit Lehrer mehr eigenverantwortlich Handeln können. Weg mit den Reglementierungen von außen, die jede pädagogische Arbeit nur unnötig erschweren. Mehr Muße und Kontinuität für schulische Aufgaben statt ständiger Kampagnen. Schaffung von beruflichen Alternativen bei Erreichen der persönlichen Belastungsgrenze.

Der Führungsstil der Schule sollte zudem kooperativ-unterstützend sein, im Kollegium sollte ein Klima der Offenheit und Unterstützung vorherrschen. Der Erholungswert von Pausen sollte gesteigert werden.

Einem guten Viertel aller Lehrer mangelt es lt. Studie an sozial-kommunikativen Kompetenzen und am Selbstvertrauen. Wer sich ständig die Frage stellt, ob er ein guter Lehrer ist, der schwächt sich selbst. Hier muss bereits beim Aufnahmeverfahren für den Lehrerjob selektiert werden.

Was sollte der Lehrer dazu beitragen? Lebenslange Weiterbildung zur Kompetenzentwicklung, lernen aus Rückmeldungen und nicht zuletzt: körperlich fit bleiben.

Auf der Homepage des Verbandes für Bildung und Erziehung kann sich das ganze Lehrer-Kollegium (anonym) im Arbeits-Bewertungs-Check testen lassen. Welche Typen sind vertreten, wo stehen wir? Interessant, finde ich. Wie bringe ich nur die Kollegen dazu, hier mitzumachen?

4 Gedanken zu “„Nirgendwo scheint die Lehrerarbeit wirklich gesund zu sein“

  1. „Was können Lehrer dazu beitragen?“ Ich stimme mit allen überein. Der Gedanke liegt bei manchen nahe, zu sagen (nicht dass das hier irgendwo stünde), dann hätten halt nur die G-Typen Lehrer werden sollen und die anderen haben den falschen Beruf. Das wäre natürlich ganz falsch. Die Arbeitsbedingungen müssen so sein, dass die stabilen Typen stabil bleiben und dass die Herausbildung eines G-Typus gefördert wird.

  2. Dazu darf ich den Fall eines ausgesprochenen G-Lehrers am Gymnasium beisteuern, der aus Idealismus an den Hauptschulzweig einer Gesamtschule wechselte. Nach ein oder zwei Jahren brach er zusammen, weil alle seine bisher erfolgreichen Methoden dort nichts brachten.
    Er setzte aus, kehrte dann an seine Ursprungsschule zurück, wo er – um ihn aufzubauen – bei halbierter Stundenzahl nur kleine einfache Gruppen bekam. Nach einem Jahr war er wieder hergestellt. Heute ist er wieder Vorbild für alle seine Kollegen.

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