Fragen machen schlau

Vor einigen Tagen habe ich meinen zweiten John Holt gelesen: Wie kleine Kinder schlau werden. Selbständiges Lernen im Alltag Und da begab es sich, dass meine Tochter mit ihren fünfeinhalb Jahren von mir verlangte, ihr ein paar Rätsel aufzugeben, die ich auf Kärtchen schreiben sollte, die sie vorbereitet hatte und die ich sie dann fragen sollte. Im Trivial-Pursuit-Stil, so habe ich das jedenfalls angenommen. So wie in der Schule.

Und als Fan von John Holt schrillten in meinem Gehirn die Alarmglocken: „Don’t do that!“. Denn John Holt meint:

Es ist wahrscheinlich, dass zuviel Ausfragerei ein Kind auf den Gedanken bringt, Lernen sei nicht ein Herausfinden, wie etwas funktioniert, sondern ein Antwortempfangen und -geben, das Erwachsenen gefällt. Kinder haben ein ungesichertes und vorläufiges Verständnis von der Welt. Wenn wir ihnen zuviel Fragen stellen oder sie mit zuviel Schärfe stellen, schwächen wir es dadurch eher. Ihr Verständnis wächst schneller, wenn wir imstande sind, ihnen zu vertrauen und im übrigen in Ruhe zu lassen.

Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass ich die Fragen eher nicht stellen sollte. Nächstes Jahr fängt für sie die Volksschule an, da lernt sie noch früh genug, von Erwachsenen erwartete Antworten zu geben.

Für mich selbst war es spannender, wenn meine Tochter Fragen erfand und wir sie dann gemeinsam zu beantworten versuchten, darüber redeten und dabei neue Fragen entwickelten. Sie fand das überhaupt nicht spannend. Also schlug ich ihr vor, abwechselnd Fragen zu stellen. Das fand sie ebenso uncool. Sie schmollte. Ich auch. Nach ein paar Minuten legten wir dann los.

Meine erste Frage war: „Welche Farbe hat ein Kürbis“. Meine zweite war: „Worauf reitet Bibi Blocksberg?“. Zu mehr kam ich nicht, denn meine Tochter sagte mir in rasantem Tempo Fragen an und ich hatte damit zu tun, diese auf Kärtchen festzuhalten, bevor schon die nächsten dahersprudelten. Beispiele gefällig?

  • Was brauchen die Augen?
  • Warum habe ich Schnupfen?
  • Warum müssen Kinder ins Bett gehen?
  • In welcher Jahreszeit kann man baden?
  • Warum fallen die Blätter vom Baum?
  • Was brauchen Menschen zum Trinken?
  • Warum müssen Fische im Wasser sein?
  • Warum kann Bibi Blocksberg mit dem Besen fliegen?
  • Warum zerplatzen Luftballons?
  • Warum verblühen Pflanzen?
  • Warum wurde Jesus ans Kreuz genagelt?
  • Warum stechen Bienen?
  • Wieso leuchtet eine Lampe?
  • Warum wachsen Blumen in der Erde?

Als ich ihr diese Fragen dann stellte und sie ganz erstaunliche Antworten gab, erntete ich vernichtende Kritik für meine eigenen zwei Fragen von ihr. Schon klar, ich habe sie wieder mal unterschätzt.

Und jetzt frage ich mich selbst: Wie lange schafft sie es, solche Fragen zu stellen. Und wann wird sie dazu übergehen, Fragen im Erwachsenen-Stil zu stellen? Fragen wie: Welche Farbe hat ein Kürbis?

Hoffentlich nie.

7 Gedanken zu “Fragen machen schlau

  1. Michael Gelb hat in seinem Buch „Das Leonardo-Prinzip“ vorgeschlagen, einfach mal 100 Fragen aufzulisten (http://www.toolblog.de/archives/25). Die Quantität macht uns Erwachsenen schon Probleme geschweige denn die Qualität. Es ist schon erstaunlich und mitunter auch deprimierend, welche Fähigkeiten wir auf dem Weg zum Erwachsenen-Sein verlieren, aus welchen Gründen auch immer. Viele liebe Grüße an die Tochter – und Hut ab!

    LG
    Stephan

  2. Wow! Tolle Fragen!
    Ich muss gestehen, dass ich nur auf wenige eine ausreichende Antwort wüsste.
    Aber ich stell es mir total spannend vor gemeinsam auf die Suche nach Erklärungen zu gehen.

  3. Interessant finde ich, dass die meisten Fragen warum-Fragen sind. Das Wer, wie, wo, wann scheint Kinder eher weniger zu interessieren.

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